Kieferosteonekrosen im Kontext der spezifischen medikamentösen Osteoporose Therapie
Kieferosteonekrosen im Kontext der spezifischen medikamentösen Osteoporose Therapie.
PD Dr. Dr. Sven Otto gibt einen Überblick zum Thema Kieferosteonekrosen im Kontext der spezifischen medikamentösen Osteoporose-Therapie. Ziel des Webinars ist es, eine gute Nutzen-Risiko Abschätzung für Osteoporose Patienten, auch aus zahnärztlicher Sicht, vornehmen zu können und bei invasiven zahnärztlichen Behandlungen geeignete Maßnahmen zur Risikoreduktion vorzunehmen.
Osteoporose ist eine chronische Skeletterkrankung, die durch Verminderung der Knochenmasse, eine Störung er Knochenmikroarchitektur und ein erhöhtes Frakturrisiko charakterisiert ist. Insbesondere postmenopausale Frauen unterliegen einem hohen Risiko an Osteoporose zu erkranken. Gemäß Angaben der Weltgesundheitsorganisation, WHO, aus dem Jahr 1944, leiden weltweit etwa 30 Prozent der postmenopausalen Frauen an Osteoporose. In Deutschland wird angenommen, dass etwa 7 Millionen Menschen von dieser Krankheit betroffen sind. Die enormen sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Osteoporose werden in erster Linie durch krankheitsbedingten Frakturen verursacht. Frakturen führen bei Betroffenen zu einer starken Reduktion der Lebensqualität und gehen mit einer erhöhten Mortalität einher. Eine weitere schwerwiegende Folge von Frakturen, vor allem bei älteren Patienten, stellt die Pflegebedürftigkeit dar, da aufgrund der eingeschränkten Mobilität nach einer Fraktur ein selbstständiges Leben oft nur schwer möglich ist. Die Behandlung der Osteoporose erfordert neben prophylaktischen Basismaßnahmen die frühzeitige Einleitung einer spezifischen medikamentösen Therapie. Eine fraktursenkende Wirkung konnte für verschiedene Arzneimittel, darunter Bisphosphonate und Denosumab, vor allem bei Patienten nach einer Fraktur und bei Patienten mit einem 10-Jahres- Frakturrisiko > 30 Prozent in zahlreichen Studien nachgewiesen werden.
Im Jahr 2003 wurde erstmals über Kieferosteonekrose im Zusammenhang mit Bisphosphonaten berichtet. Sie tritt bei Patienten auf, die mit Substanzen behandelt werden, die den Knochenabbau hemmen (Antiresorptiva), wie Bisphosphonate und Denosumab, und weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer solchen Komplikation aufweisen. Die Kieferosteonekrose ist eine seltene Erkrankung und tritt in erster Linie bei onkologischen Patienten auf, die in kürzeren Abständen und mit hohen Dosen behandelt werden. Bei Patienten, die wegen einer Osteoporose behandelt werden, ist das Risiko für eine Kieferosteonekrose im Vergleich zur Behandlung mit hohen Dosen in der Tumorindikation gering: Die Inzidenz liegt in Studien zwischen etwa 0,001 und 0,15 Prozent pro Patient und Behandlungsjahr. Letztlich steht das niedrige Risiko eine Kieferosteonekrose unter einer antiresorptiven Therapie zu bekommen immer dem Risiko eine Fraktur ohne Therapie zu erleiden gegenüber. Bei hohem Frakturrisiko kommen auf eine Kieferosteonekrose etwa 150 vermiedene Frakturen.
Oft spielen noch andere Risikofaktoren neben der antiresorptiven Therapie eine Rolle, zum Beispiel die Behandlung mit Glukokortikoiden, chirurgische Eingriffe am Ober- oder Unterkiefer (mit Exposition des Knochens gegenüber der stets kontaminierten Mundhöhle), schlechte Mundhygiene, chronische Entzündungen (apikale Parodontitis, Wurzelreste, Schleimhautdefekte durch Abrasion), Diabetes mellitus, schlechtsitzende Zahnprothesen sowie die Anwendung antiangiogener Arzneimittel (Sunitinib, Bevacizumab oder Aflibercept). Daher sollten bei allen Patienten vor dem Start einer antiresorptiven Therapie mögliche Risikofaktoren für Kiefernekrosen evaluiert werden. Betrachtet man die im Kiefernekrose-Register dokumentierten Fälle genauer lassen sich häufig Zahnprobleme eruieren. Liegen begleitende Risikofaktoren vor, sollte eine zahnärztliche Untersuchung mit angemessener präventiver Zahnbehandlung veranlasst werden. Während der Therapie sollten die Patienten immer dazu angehalten werden, eine gute Mundhygiene einzuhalten und regelmäßig den Zahnarzt aufzusuchen. Von zahnärztlicher und kieferchirurgischer Seite sollte immer bedacht werden, dass das Absetzen eines Bisphosphonats oder von Denosumab für den Patienten unter Umständen schwerwiegende Folgen haben kann. Es sollte daher nur in enger Rücksprache mit den Ärzten erfolgen, die die antiresorptive Therapie verordnet haben.
Zur Minimierung des Risikos der Kieferosteonekrose wurde seit 2005 bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen – hierzu zählen Anpassungen der Produktinformationen und das Bereitstellen von spezifischem Schulungsmaterial. Darüber hinaus wurde eine Patientenerinnerungskarte eingeführt, in der unter anderem auf die notwendige Mund- und Zahnpflege aufmerksam gemacht wird und Patienten erinnert werden, ihren Zahnarzt über die Behandlung mit Bisphosphonaten oder Denosumab zu informieren.